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| ====== :p2.jpg?nolink&381x521 Sicherheitstechnische Grundlagen im Circus ====== | ====== Sicherheitstechnische Grundlagen im Circus ====== |
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| Berechnungsgrundlagen und ihre Einordnung | Berechnungsgrundlagen und ihre Einordnung |
| Die allermeisten Materialien sind entweder Produkte, die für den industriellen Sektor, den Klettersport und seltener auch für den Segelsport gefertigt und zertifiziert werden. Diese drei Produktsorten werden jeweils unterschiedlich gekennzeichnet und diese Kennzeichnung muss korrekt interpretiert werden. Mit den vorausgegangenen Informationen lässt sich das Potenzial des verwendeten Materials, also die Festigkeit der Requisiten über die Angabe bzw. Berechnung WLL (=zulässige Arbeitslast) bestimmen. | Die allermeisten Materialien sind entweder Produkte, die für den industriellen Sektor, den Klettersport und seltener auch für den Segelsport gefertigt und zertifiziert werden. Diese drei Produktsorten werden jeweils unterschiedlich gekennzeichnet und diese Kennzeichnung muss korrekt interpretiert werden. Mit den vorausgegangenen Informationen lässt sich das Potenzial des verwendeten Materials, also die Festigkeit der Requisiten über die Angabe bzw. Berechnung WLL (=zulässige Arbeitslast) bestimmen. |
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| ===== ZUM GRUNDVERSTÄNDNIS: ===== | ===== ZUM GRUNDVERSTÄNDNIS: ===== |
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| Die unterschiedliche Kennzeichnung ergibt sich aus der jeweils spezifischen Perspektive auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch des jeweiligen Materials: | > Die unterschiedliche Kennzeichnung ergibt sich aus der jeweils spezifischen Perspektive auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch des jeweiligen Materials: |
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| \\ | Industriell genutztes Material wird unter dem Gesichtspunkt der Dauerfestigkeit, also einer dauerhaften und regelmäßigen Nutzung und Beanspruchung über lange Zeiträume und eine Vielzahl von Nutzungszyklen hinweg, produziert. Dazu gehört neben dem klassischen Hebezeug, d.h. Ausrüstung für Krane und Winden, auch das moderne Industriekletter-Equipment, das für Seilzugangstechniken oder in der Baumpflege eingesetzt wird. Die Produktion, der Einsatz und die regelmäßige Kontrolle durch Sachverständige von sog. „Arbeitsmitteln“ ist im industriellen Kontext durch zahlreiche Regelwerke komplex reglementiert. |
| > Industriell genutztes Material wird unter dem Gesichtspunkt der Dauerfestigkeit, also einer dauerhaften und regelmäßigen Nutzung und Beanspruchung über lange Zeiträume und eine Vielzahl von Nutzungszyklen hinweg, produziert. Dazu gehört neben dem klassischen Hebezeug, d.h. Ausrüstung für Krane und Winden, auch das moderne Industriekletter-Equipment, das für Seilzugangstechniken oder in der Baumpflege eingesetzt wird. Die Produktion, der Einsatz und die regelmäßige Kontrolle durch Sachverständige von sog. „Arbeitsmitteln“ ist im industriellen Kontext durch zahlreiche Regelwerke komplex reglementiert. | |
| | Material aus dem Klettersport war historisch gesehen für den sporadischen Einsatz zur Lebensrettung im Fall eines Sturzes konzipiert und wurde üblicherweise bereits nach einmaliger hoher Belastung entsorgt. Mit der Weiterentwicklung des Klettersports hat sich die Ausrüstung extrem diversifiziert und muss heute teilweise auch Dauerbelastungen standhalten, die mit einer industriellen Nutzung vergleichbar sind. Um diesen sehr unterschiedlichen Ansprüchen zu genügen, ist die Produktion und der Einsatz von Klettermaterial streng reglementiert und unterliegt einer ständigen Kontrolle, die sich in ihrer Ausprägung an der jeweiligen Nutzergruppe (privat, ehrenamtlich/gemeinnützig, kommerziell) orientiert und teilweise regelmäßige Prüfungen durch Sachkundige entsprechend der DGUV Regelwerke vorschreibt. |
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| | Material aus dem Segelbereich ist grundsätzlich nicht für lebende Lasten oder industrielle Nutzung hergestellt, unterliegt daher nicht vergleichbaren Vorgaben und muss für die Verwendung bei artistischen Übungen einzeln bewertet werden. |
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| | **Die oben dargelegte Materialfestigkeit muss in einemzweiten Schritt mit der maximal eingeleiteten Last (auch „dynamische Last“) abgeglichen werden, die im Rahmen der jeweiligen Nutzung auftritt.** |
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| | Die **dynamische Last** ist die Kraft, die auf die Hängepunkte, Lastaufnahmemittel bzw. Requisiten durch die Nutzer:innen (z.B. Akrobat:innen) durch Bewegung ausgeübt wird. Dabei haben sich über die Jahre durch vielfache Messungen unterschiedliche dynamische Faktoren abhängig vom jeweiligen Requisit und von der Art der Beanspruchung bestätigt. Diese Faktoren sind in einer Tabelle im Anhang zusammengefasst. Die Werte unterliegen einer ständigen Beobachtung. Daher wird sich die Tabelle zukünftig zweifellos, wie auch in der Vergangenheit, durch die Einführung neuer Techniken oder Erfindungen ändern oder erweitern. |
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| | **DYNAMISCHE FAKTOREN:** vgl. Tabelle im Anhang 1 |
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| | **Zusammenhang zwischen Arbeitslast und dynamischer Last:** |
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| | Mithilfe der ermittelten Werte: zulässige Arbeitslast (WLL) und zutreffender dynamischer Faktor lässt sich nun die Festigkeit des Requisits mit der tatsächlich durch die Nutzung eingeleiteten Kraft (= dynamische Last) vergleichen: |
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| | **Solange die zulässige Arbeitslast (WLL) den Wert dertatsächlich eingeleiteten Kraft übertrifft, ist eine (im Rahmen der vom Hersteller garantierten Lebensdauer) sichere Nutzung des Requisits gewährleistet.** |
| | ==== Best Practice ==== |
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| | > Umgang mit Requisiten, die den Anforderungen an die Dauerfestigkeit aus der Maschinenrichtlinie nicht genügen können |
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| | Kann das Material, aus dem ein Requisit gefertigt ist, den grundsätzlichen Anforderungen an die Dauerfestigkeit aus der Maschinenrichtlinie nicht genügen, weil die übliche oder besondere Nutzung in der Artistik Lasteinleitungen bewirkt, die das Material über den Bereich der elastischen Verformung hinaus beanspruchen und damit dauerhafte Materialveränderungen verursachen, die sich als Schwächung und damit Reduktion der ursprünglichen minimalen Bruchlast äußert, so klein diese auch bei jeder Einzelnutzung sein mag, so müssen aus diesen physikalischen Tatsachen Konsequenzen gezogen werden: |
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| | Hersteller:innen sind aufgefordert, Materialien zu entwickeln oder zu verwenden, die den tatsächlich auftretenden und messbaren Belastungen standhalten oder die Konstruktionsform so zu optimieren, dass die Lasteinleitungen technisch reduziert werden. Beispiel: Einsatz von dämpfenden Elementen wie Bungees oder Federn, Kombination verschiedener Textilien, um ein optimales Zusammenspiel aus Festigkeit und Ergonomie zu erreichen o.ä. |
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| > Material aus dem Klettersport war historisch gesehen für den sporadischen Einsatz zur Lebensrettung im Fall eines Sturzes konzipiert und wurde üblicherweise bereits nach einmaliger hoher Belastung entsorgt. Mit der Weiterentwicklung des Klettersports hat sich die Ausrüstung extrem diversifiziert und muss heute teilweise auch Dauerbelastungen standhalten, die mit einer industriellen Nutzung vergleichbar sind. Um diesen sehr unterschiedlichen Ansprüchen zu genügen, ist die Produktion und der Einsatz von Klettermaterial streng reglementiert und unterliegt einer ständigen Kontrolle, die sich in ihrer Ausprägung an der jeweiligen Nutzergruppe (privat, ehrenamtlich/gemeinnützig, kommerziell) orientiert und teilweise regelmäßige Prüfungen durch Sachkundige entsprechend der DGUV Regelwerke vorschreibt. | Finden sich keine technischen Lösungen, können die Hersteller:innen von den in dieser Veröffentlichung angegebenen Materialbelastungsgrenzen und Nutzungsvorgaben abweichen, sofern sie in ihren Produktanleitungen Hinweise zur maximalen Lebensdauer und zu regelmäßigen Prüfintervallen für die Geräte angeben. Gleichzeitig sind auch die Nutzer:innen in der Pflicht: Sie müssen durch regelmäßige, den Herstellerangaben und der Nutzungsintensität entsprechende Sicht- und Funktionsprüfungen sowie gegebenenfalls früherer Aussonderung der betroffenen Requisiten den Sicherheitsstandard gewährleisten, den das Material aus sich heraus nicht erfüllen kann. In besonders zweifelhaften Fällen ist die obligatorische Nutzung zusätzlicher Schutzausrüstung (Weichbodenmatten, Longen o.ä.) zu erwägen. |
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| | **DYNAMIKFAKTOREN NACH DISZIPLIN BZW. REQUISIT** |
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| > Material aus dem Segelbereich ist grundsätzlich nicht für lebende Lasten oder industrielle Nutzung hergestellt, unterliegt daher nicht vergleichbaren Vorgaben und muss für die Verwendung bei artistischen Übungen einzeln bewertet werden. | **{{:p4.jpg?nolink&775x891|p4.jpg}}** |
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