leitfaden_sicherheit_im_zirkus

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:p2.jpg?nolink&381x521 Sicherheitstechnische Grundlagen im Circus

Berechnungsgrundlagen und ihre Einordnung

Im Bereich der Festigkeitsberechnung für Circusrequisiten hat sich nicht zuletzt in den akademischen Ausbildungseinrichtungen für Circuskünste8 in den letzten Jahren europaweit eine Kombination aus den Materialanforderungen aus der „Maschinenrichtlinie“ (Richtlinie 2006/42/EG) und den darin zugrunde gelegten Betriebskoeffizienten sowie einer Serie von „Dynamischen Faktoren“, die sich inzwischen als Ergebnis diverser Messreihen zur Lasteinleitung durch akrobatische Bewegungen in Circusrequisiten und ihre Hängepunkte bestätigt haben, verbreitet. Das daraus resultierende, relativ einfach zu handhabende mathematische Modell produziert für einen Großteil der Circusrequisiten belastbare und realistische Werte, denen die handelsüblichen Bauteile und Materialien weitgehend entsprechen. Daher soll dieses Modell im weiteren Verlauf detailliert dargelegt und erklärt werden. 8 z.B. vertreten durch die FEDEC (http://www.fedec.eu/en) Allerdings birgt dieses Modell als Berechnungsgrundlage auch Probleme mit einer Reihe weit verbreiteter Requisiten, so z.B. bei Strapaten, Tüchern und Fixtrapezen, da sich für diese textilen Requisiten mit den aus der Maschinenrichtlinie bekannten Koeffizienten keine praktikablen Dauerfestigkeiten errechnen lassen. Der diesbezügliche Stand der Technik sowie adäquate „best practice“-Lösungen werden im Anschluss erläutert und können auch in Zukunft bei sich verändernden Bedingungen oder Innovationen Anwendung finden. Hier müssen jeweils Kompromisse zwischen den hohen Anforderungen der Maschinenrichtlinie, die für eine Dauernutzung im industriellen Kontext formuliert wurden, und den spezifischen Einschränkungen im Circuskontext gefunden werden, die trotzdem ein Höchstmaß an Sicherheit für die unterschiedlichen Nutzer:innen garantieren. Dabei sind insbesondere eine klare Kennzeichnung der Requisiten, die Offenlegung der jeweiligen physikalischen Annahmen durch die Hersteller:innen, eine unmissverständliche Betriebsanleitung mit Warnhinweisen zu weit verbreiteten Fehlanwendungen und klare Informationen zur obligatorischen Materialprüfung und ihrer Frequenz unverzichtbar.

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Nautik/Segelbedarf


Für Material aus dem Segelsport (häufig Umlenkrollen) finden sich je nach Hersteller andere Betriebskoeffizienten. Daher genau auf die technischen Datenblätter achten und nach Angaben zur Mindestbruchlast suchen! Diese ggf. beim Hersteller erfragen. Liegt die Bruchlast vor, kann die Berechnung analog zum Klettermaterial erfolgen.

Die korrekte Verwendung der verschiedenen Koeffizienten setzt ein grundlegendes Verständnis für die Kennzeichnung der im Circuskontext weit verbreiteten und im Wesentlichen aus drei Produktgruppen kommenden Bauteile von Requisiten und ihren Aufhängungen voraus.

Die allermeisten Materialien sind entweder Produkte, die für den industriellen Sektor, den Klettersport und seltener auch für den Segelsport gefertigt und zertifiziert werden. Diese drei Produktsorten werden jeweils unterschiedlich gekennzeichnet und diese Kennzeichnung muss korrekt interpretiert werden. Mit den vorausgegangenen Informationen lässt sich das Potenzial des verwendeten Materials, also die Festigkeit der Requisiten über die Angabe bzw. Berechnung WLL (=zulässige Arbeitslast) bestimmen.


Die unterschiedliche Kennzeichnung ergibt sich aus der jeweils spezifischen Perspektive auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch des jeweiligen Materials:


Industriell genutztes Material wird unter dem Gesichtspunkt der Dauerfestigkeit, also einer dauerhaften und regelmäßigen Nutzung und Beanspruchung über lange Zeiträume und eine Vielzahl von Nutzungszyklen hinweg, produziert. Dazu gehört neben dem klassischen Hebezeug, d.h. Ausrüstung für Krane und Winden, auch das moderne Industriekletter-Equipment, das für Seilzugangstechniken oder in der Baumpflege eingesetzt wird. Die Produktion, der Einsatz und die regelmäßige Kontrolle durch Sachverständige von sog. „Arbeitsmitteln“ ist im industriellen Kontext durch zahlreiche Regelwerke komplex reglementiert.
Material aus dem Klettersport war historisch gesehen für den sporadischen Einsatz zur Lebensrettung im Fall eines Sturzes konzipiert und wurde üblicherweise bereits nach einmaliger hoher Belastung entsorgt. Mit der Weiterentwicklung des Klettersports hat sich die Ausrüstung extrem diversifiziert und muss heute teilweise auch Dauerbelastungen standhalten, die mit einer industriellen Nutzung vergleichbar sind. Um diesen sehr unterschiedlichen Ansprüchen zu genügen, ist die Produktion und der Einsatz von Klettermaterial streng reglementiert und unterliegt einer ständigen Kontrolle, die sich in ihrer Ausprägung an der jeweiligen Nutzergruppe (privat, ehrenamtlich/gemeinnützig, kommerziell) orientiert und teilweise regelmäßige Prüfungen durch Sachkundige entsprechend der DGUV Regelwerke vorschreibt.
Material aus dem Segelbereich ist grundsätzlich nicht für lebende Lasten oder industrielle Nutzung hergestellt, unterliegt daher nicht vergleichbaren Vorgaben und muss für die Verwendung bei artistischen Übungen einzeln bewertet werden.

erstellt durch den Arbeitskreis „Sicherheit & Prävention in der Circuspraxis“

Mitglieder der Expertenkommission und vertretene Fachverbände & Institutionen:

TOBIAS BAESCH Artist, Circus-Rigger, Circuspädagoge (BAG) Bundesarbeitsgemeinschaft Zirkuspädagogik, CircArtive School Gschwend

ANDREAS BARTL Artist, Circus-Rigger, Circuspädagoge (BAG), Industriekletterer FISAT Level 2, Sachkundiger für PSAgA (BG) Bundesverband Zeitgenössischer Zirkus, Circus unARTiq, Common Ground

PETER BETHÄUSER Circusdirektor und Circuspädagoge Zirkus Macht Stark, Circus-Luna-Hof Unterfranken

MARCO BIASINI Zeltmeister & Technischer Leiter internationaler Circusfestivals European Circus Association, Grandezza

DANIEL GEIGER Technischer Leiter | Tollhaus & ATOLL Festival Karlsruhe

JENS GERHARDT Meister für Veranstaltungstechnik (FH Darmstadt), Sachkundiger für Veranstaltungsrigging nach SQQ2 Level 3 (THEA), Ausbilder Sportklettern (DAV) | Selbständiger Experte

ALEXANDER HINZE Hersteller von Circusgeräten | Alexander Aerial Acrobatics

LOTHAR KÖRNER Statiker (Fliegende Bauten) | Selbständiger Experte

CHRISTIAN SCHENK Hersteller von Circusgeräten | SchenkSpass Shop

NILS WOLLSCHLÄGER Artist, Circus-Rigger, Fachkraft für Arbeitssicherheit (BG) | Omnivolant, selbständiger Experte

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  • Last modified: 2023/02/05 19:37
  • by simon